Handysucht – Definition eines Phänomens

So viel wir der rasanten Entwicklung in der Elektronik auch verdanken, in vielen Bereichen ordnet sich der Mensch den verschiedenen Geräten und Medien immer mehr unter. Ständig erreichbar zu sein hat große Vorteile. Ständig erreichbar zu sein hat aber auch riesige Nachteile. Nachteile, die viele Menschen an ihre Grenzen bringen. Handysucht ist ein aktuelles Phänomen, das weiter verbreitet ist, als man annimmt. Die Handysucht Definition ist dabei nicht immer einfacht.

Smartphone

In der heutigen Erwachsenengeneration ist das Smartphone nicht mehr wegzudenken. Ist man älter als 30 Jahre, dann kann man sich an eine Kindheit und Teile der Jugend erinnern, in denen man ohne mobiles Telefon auskommen musste. Die jüngeren kennen das Gefühl, nicht erreichbar zu sein, nicht mehr. Langsam aber sicher verändert sich unsere Kommunikation immer mehr. Was früher noch ein persönliches Gespräch mit mehreren Phasen, Umgangsformen und Handschlagsqualität war, sind heute ein paar unverbindliche und unstrukturierte Wörter und Emoties. Zwischenmenschliche Kommunikation ist heute viel steriler, als vor wenigen Jahrzehnten.

Metaebenen

Kommunikation erfolgt aus sehr vielen Ebenen. Die Inhaltsebene, auf der die sachlichen Inhalte übermittelt werden, ist nur ein Teil davon. Zusätzlich achten wir im Umgang miteinander auf Betonung, Mimik, Gestik und setzen alles in einen großen Zusammenhang. Wie stehen wir zu dem Thema, was erwarten wir vom Gegenüber und viele andere Faktioren fließen in die Bewertung der Inhalte ein. Schreibt man sehr kurze Nachrichten, dann bleiben viele dieser Ebenen auf der Strecke. Es bleibt der Kontext, also der bisherige Gesprächsverlauf und unsere Erwartungshaltung und der Inhalt. Das kann zwangsläufig zu Problemen führen. Die Qualität eines Gesprächs leidet. Wir nehmen uns nicht die Zeit, weit auszuholen, sondern kommunizieren pointiert und minimalistisch.

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In allen Lebensbereichen hat das Smartphone heute seinen Platz gefunden und bestimmt unser Leben

ToDos

Dazu kommt, dass die schriftliche Kommunikation einem recht einfachen Schema folgt. Hat man selbst etwas geschrieben, ist der andere am Zug. Privat wird das nicht so eng gesehen und klar, dass man ein beiläufiges Gespräch nicht ewig weiterführt, im Geschäftsumfeld sieht das aber anders aus. Ein Mail bedeutet, dass man unter Zugzwang steht. Auch wenn die Anfrage eigentlich nicht in das eigene Aufgabengebiet fällt, muss man reagieren. Lässt man es ein paar Stunden unbeantwortet, ist es schwierig, auf einen Irrläufer, oder einen Fehler hinzuweisen. Es muss also zeitnah reagiert werden. Der Ball muss in Bewegung bleiben und der Schwarze Peter muss weiterwandern.

24/7 Verfügbar sein

Nachdem sich die zuerst recht einfachen Mobiltelefone nach und nach zu Smartphones entwickelt haben, haben sich auch entsprechende Angebote und Anwendungen entwickelt. So pflegen wir heute unsere Kontakte über Social Media, konsumieren Medien über das Smartphone und wickeln unsere private und geschäftliche Kommunikation über Nachrichtendienste und andere Apps ab. Wir schreiben unsere Freunde und Kollegen unmittelbar dann an, wenn eine Frage aufkommt. Dabei nehmen wir keine Rücksicht auf die Uhrzeit, Urlaube, oder sonstige Umstände. So, wie wir heute 24 Stunden pro Tag an sieben Tagen in der Woche unsere Antworten von Suchmaschinen und Internetseite abrufen können, so erwarten wir das auch von unseren Mitmenschen. Und auch von uns wird dasselbe erwartet.

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Andere am eigenen Leben teilhaben zu lassen ist für viele Menschen wichtig. Schnelle Reaktionen sind gefragt und eine Frage der Höflichkeit

Schnelles Leben

Unser ganzes Leben hat sich beschleunigt. Früher hat ein Paket schon mal eine Woche, oder mehr gebraucht, um beim Empfänger einzutreffen. Heute erwarten wir zumindest, dass wir die Ware am nächsten Tag in Händen halten. Wenn wir etwas brauchen, dann wollen wir es sofort haben. Wir warten nicht gerne. Genauso ist das in der Kommunikation. Eine schnelle Frage erwartet eine ebenso schnelle Antwort. Auch die Medien sind schnellebiger geworden. Social Media Plattformen bieten eine Timeline, die von ständig neuen Informationen gnadenlos nach unten geschoben wird. Dazu kommt, dass die Anordnung der Posts meist nicht chronologisch erfolgt. Interaktionen reihen sie ständig neu und es ist fast unmöglich, die Dinge zu identifizieren, die man verpasst hat.

Präsent sein

Die Zeit mit dem Smartphone läuft ab, wie ein Gespräch. Man zeigt Reaktionen und interagiert, man bringt sich in Diskussionen ein, fragt und gibt Antworten. Allerdings laufen über das Smartphone unendlich viele solche Gespräche parallel. Wir betreiben Multitasking, tun aber die meisten Dinge nur halbherzig. Den Regeln dieser Kommunikation folgend konsumiert man viele Informationen und bezieht kurz Stellung. Mails werden so rasch, wie möglich beantwortet, um den Ball wieder abzuspielen. Nachrichten werden rasch und kurz beantwortet um das Gespräch am Laufen zu halten. Dummerweise spielen aber fast alle nach diesen Regeln.

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Das Smartphone ist Ablenkung Nummer 1 bei der Arbeit. Statt zu lernen, oder zu arbeiten, beschäftigt man sich mit dem Handy

Der Lauf der Dinge

Also bekommt man auf den Versuch, eine Aufgabe per Mail zu delegieren, unmittelbar eine Antwort dazu und kommt wieder unter Zugzwang. Antwortet man mit einem Emotie auf eine Kurznachricht, dann kommt schnell wieder eine Rückantwort und wieder steht man unter Zugzwang. Kaum hat man die eigene Timeline durchgearbeitet, gibt es neue Bilder, Statements, geteilte Artikel und sonstige Posts und man kann fast unmittelbar wieder von vorne beginnen. Garniert wird das Ganze noch dadurch, dass die Apps am Smartphone so gestaltet sind, dass sie unser Belohnungszentrum aktivieren. Die Icons werden mit kleinen roten Kreisen versehen und weisen uns darauf hin, dass es Neuigkeiten gibt. Haben wir alles gelesen, abgearbeitet und wahrgenommen, verschwinden die roten Ermahnungen und für den Moment können wir uns entspannen.

Handysucht

Die Folge dieses permanenten Drucks und der Notwendigkeit zeitnah zu reagieren, ist die sogenannte Handysucht. Die Handysucht Definition ist nicht ganz einfach. Jeder von uns kennt das Gefühl, ohne das Smartphone in Griffweite nervös zu werden. Auch während eines Gesprächs ist es nicht zwangsläufig unhöflich, einen Blick auf das Smartphone zu werfen. Schließlich bekommen wir ständig Updates und mehr, oder weniger wichtige Informationen über das Telefon. Im Normalfall wird auch das Gegenüber diese Situation nachvollziehen können und Verständnis zeigen. Damit ist man aber noch nicht handysüchtig.

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Wer kann da widerstehen? Die kleinen roten Badges machen viele Menschen nervös. Erst wenn sie alle abgearbeitet sind, kommt man zur Ruhe

Handysucht Definition

Ist man von der Nutzung des Smartphones abhängig, dann äußert sich das in erster Linie darin, dass die Gedanken ständig um das Handy kreisen. Der erste Gedanke morgens und der letzte Gedanke drehen sich um das Smartphone. Ein Leben ohne das Handy scheint unmöglich. Nur mit dem Smartphone in der Hand ist man glücklich. Solange man das Gerät nicht in den Händen hält wird man nach und nach immer unzufriedener. Schafft man es nicht mehr, den Raum zu verlassen, ohne das Handy mitzunehmen, dann ist das ein klares Indiz dafür, dass man unter Handysucht leidet. Die Handysucht Definition ist schwieriger zu treffen, als etwa bei Drogenabhängkeit. Vor allem deswegen, weil sie sich langsam entwickelt. Lenkt man bei den ersten Anzeichen nicht ein und reduziert die Handynutzung gezielt, dann kann die Handysucht zu Rückzug und sozialer Isolation führen.

Bin ich handysüchtig?

Nervös zu sein, wenn das Handy daheim vergessen wurde, oder der Akku leer ist, ist noch kein Anzeichen für eine Handysucht. Auch der regelmäßige Blick aufs Display ist in Ordnung und vorerst nicht bedenklich. Das kann sich allerdings rasch ändern.

Erste Anzeichen für eine Handysucht sind:

  • Große Anspannung und Nervosität bei Handyentzug
  • Sukzessiv steigende Nutzungsdauer
  • Die eigene Laune bessert sich spürbar, wenn man am Handy ist
  • Zeit vor dem Handy ist wichtiger, als andere Aktivitäten, die immer wieder abgesagt werden
  • Häufiger Griff zum Handy, ohne Anlass und ohne zu wissen, was man tun wollte

Anzeichen einer ausgeprägten Handysucht sind:

  • Körperliche Symptome, wie Schweißausbrüche, oder Übelkeit bei Handyentzug
  • Gescheiterte Versuche, den Handykonsum einzuschränken
  • Vernachlässigung sozialer Kontakte
  • Geheime Handynutzung
  • Leugnung des Problems

Was tun gegen Handysucht?

Der erste Schritt auf dem Weg aus der Handysucht ist das Krankheitsbewusstsein. Hat man akzeptiert, dass man ein Problem hat, schafft das mehr Motivation, es zu lösen. Grundsätzlich lässt sich die Handysucht genauso behandeln, wie jede andere Sucht. Die Schritte dazu sind Entgiftung, Entwöhnung und Stabilisierung.

Entgiftung

Konsumiert man Drogen, dann kann die Entgiftung schwere körperliche Folgen nach sich ziehen. Bei der Handysucht ist das nicht der Fall. Trotzdem kann man auch hier eine Entgiftung durchführen. Dazu werden die Apps vom Smartphone entfernt, die für die Handysucht verantwortlich sind. Verschiedene Social Media – Apps, Messenger, Spiele und andere Apps werden gelöscht. Damit reduziert sich die Nutzungsdauer automatisch.

Entwöhnung

Der nächste Schritt ist der bewusste Verzicht auf das Smartphone. Ein Essen mit Freunden, bei denen das Handy daheim bleibt, ein Arbeitstag, an dem das Handy abgeschalten wird, oder auch mal ein Kurzurlaub, ohne das Smartphone. Die Dauer, ohne das Smartphone wird sukzessive erhöht und ausgeweitet.

Stabilisierung

Unser Gehirn fühlt sich in Mustern sehr wohl und wiederholt gerne Dinge, die es bereits beherrscht. Das wird im Zusammenhang mit der Handysucht zu einem Problem. Schnell verfällt man wieder in das alte Muster und ist wieder dort, wo man begonnen hat. Wie jede Sucht, sollte auch die Handysucht aufgearbeitet werden. Es gibt Hintergründe und Ursachen, mit denen man sich auseinandersetzen sollte. Ein Therapeut, oder eine Selbsthilfegruppe können dabei helfen, das eigentliche Problem zu erkennen und Lösungswege zu finden.

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Entspannung und gute Laune, immer wenn man zum Handy greift? Das kann ein Anzeichen für Handysucht sein

Zivilisationskrankheit

Mehr als 30 Prozent der Jugendlichen zeigen, einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge ein problematisches Mediennutzungsverhalten. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2019, und übersteigen die letzten Erhebungen um etwa 10 Prozent. Die Computer- und Handysucht ist also auf dem Vormarsch. Medien werden immer wieder als die Droge der Zukunft bezeichnet. Das Smartphone hat das Potential, unser Leben zu bestimmen. Wir entscheiden tagtäglich, ob wir das zulassen, oder nicht. Die Handysucht ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Die Ursache dafür liegt im fordernden Umgang miteinander und der fehlenden Geduld. Es ist an uns, uns dieser Entwicklung in den Weg zu stellen und sie aufzuhalten. Eine kleine Entscheidung mit großer Wirkung.

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